Traumjob Hochzeitsfotograf - die bittere Wahrheit

 

3 Minuten sinnvoll investierte Lesezeit

Die Wahrheit über Hochzeitsfotografie

Ich bin seit über sieben Jahren hauptberuflicher (Hochzeits-)Fotograf und habe meine Berufung und absoluten Traumjob gefunden. Ich empfinde es nicht einmal als Arbeit, sondern bezahltes Hobby - in schöner Umgebung gut gekleidete und gut gelaunte Menschen fotografisch zu begleiten - ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.

Aber ich bin inzwischen etabliert, habe mir über viele Jahre einen hervorragenden Ruf, großen Kundenkreis und einen Platz ganz oben in der Google-Suche erarbeitet. Ich habe ein regelmäßiges Einkommen und am Wochenende auf Hochzeiten unterwegs zu sein, stellt keine Belastung dar, da meine Kinder längst erwachsen und aus dem Haus sind. Aber wie ergeht es jungen Menschen, die Fotografieren noch als Hobby betreiben und auch erwägen, ihr Hobby zum Beruf zu machen? Was erwartet sie? Stimmen die Klischees, die man ständig auf Instagram vorgegaukelt bekommt? Fühlst du dich vielleicht angesprochen?
Du bist selbst leidenschaftlicher Hobbyfotograf und überlegst, ob du dich nicht auch als Hochzeitsfotograf selbständig machen sollst? Ok, dann sollten wir reden: Mach dir einen Tee, setz dich und nimm dir ein paar Minuten Zeit für diesen Artikel.

Regelmäßige Arbeitszeiten? Nein. Regelmäßiges Einkommen? Nein.

 

 

 Vorab ein paar Daten und Fakten.

 

Disclaimer: Die folgenden Angaben stammen von der Webseite von berufsfotografen.com und basieren auf den jährlichen Umfragen unter allen in den Handwerkskammern registrierten Berufsfotografen.

 

Die Arbeitszeiten sind oft alles andere als regelmäßig und familienfreundlich. Fast ein Drittel der Fotografen arbeitet häufig am Wochenende und so lange, wie der Auftrag an diesem Tag dauert, ohne Überstundenzuschläge zu erhalten. Nur 14% der Fotografen haben feste Arbeitszeiten, und für die meisten ist eine 6-Tage-Woche die Norm.

 

Wie strukturiert ein Fotograf seinen Arbeitstag?

 

6 Tage sind dem Fotografieren gewidmet, während 6-7 Tage für die Vor- und Nachbearbeitung aufgewendet werden. Die Akquise von Kunden und die Organisation des Büros nehmen 4-5 Tage in Anspruch. Persönliche Projekte und die berufliche Weiterentwicklung nehmen mit nur einem Tag den geringsten Teil der Zeit in Anspruch.

 

Traumjob Destination Wedding Photographer?

 

Für Hochzeitsfotografinnen und -fotografen, die erfolgreich sein wollen, besteht das Hauptziel darin, ihr Einkommen zu steigern, ihre Marke zu stärken und sich auf ihr Handwerk zu spezialisieren. Denn nur wer von seinem Beruf leben kann, kann die Freiheiten, die die Fotografie bietet, wirklich genießen.

Wovon du dich übrigens als erstes verabschieden solltest: Dass du zukünftig nur noch Model-Paare im Sonnenuntergang auf Mallorca fotografieren wirst. Diese besonders auf Instagram gerne verbreiteten Klischeefotos haben alle eins gemeinsam: Sie sind nicht real. 99% davon sind sogenannte styled shoots oder Workshop Fotos, das heisst: Es handelt sich nicht um echte Hochzeiten, sondern um gestellte Fotoshootings. Das restliche Prozent stammen tatsächlich von echten Hochzeiten, jedoch von sehr etablierten Fotografen, die es sich dank ihres Erfolgs erlauben können, ihre Brautpaare nach Aussehen zu selektieren und nur die allerbesten Fotos präsentieren. Viele Menschen stellen sich - dank Instagram - nun vor, dass Hochzeitsfotografen und -fotografinnen ständig in der Welt unterwegs sind, aber das ist neben den erwähnten 1% der mega erfolgreichen Hochzeitsfotografen nur für einen kleinen Teil der Werbe-, Architektur- oder Dokumentarfotografen und -fotografinnen Realität. Die meisten Aufträge finden in einem Umkreis von 100 km um den Wohnort des Hochzeitsfotografen statt.

hochzeitsfotograf jens lindner hält eine kamera und fotografiert
Alles und jeder, der eine Kamera halten kann, scheint sich als Hochzeitsfotograf anzubieten

Die Wahrheit hört niemand gerne

 

Ich bin eher zufällig auf das Thema gestoßen, als ich für einen neuen Blog Post recherchierte und beim googeln in einem Frauen-Forum landete. Dort ging es um eine Frage zur Hochzeitsfotografie und die ersten 20 Antworten waren keine im eigentliche Sinne der Fragestellerin, sondern mehr oder weniger plumpe "Bewerbungen" von mehr oder weniger plumpen Fotografen (einige hatten sogar total fehlbelichtete Bilder als "Werbung" eingestellt: Halbes Gesicht, völlig über- oder unterbelichtet, u.ä.).

Probier es einmal selbst aus: Wer nach "Hochzeitsfotograf Frankfurt" googelt, wird vom Angebot schier erschlagen. Alles und jeder, der eine Kamera halten kann, scheint sich anzubieten. Dazu landen vermehrt Angebote von zahlreichen, selbsternannten Hochzeitsfotografie-Coaches im Spam-Ordner oder in der Timeline von Youtube, Instagram und TikTok. Der Wortlaut klingt überall ähnlich: "Mach endlich dein Ding!", "Raus aus der Komfortzone und mach, was dir gefällt!" "In 30 Tagen zum selbständigen Hochzeitsfotografen!" Unzählige Coaches, die dich für nur schlappe 999,- Euro Gebühr auf deinem Weg zum "mega erfolgreichen" Hochzeitsfotografen begleiten. Und natürlich besteht deine Zielgruppe als erfolgreicher Hochzeitsfotograf nur aus jungen, attraktiven und sehr wohlhabenden Traumpaaren, die gerne an den spektakulärsten Auslandsdestinations heiraten möchten. So weit, so gut. Oder sagen wir lieber: So weit, so unrealistisch.

Dann werde doch Coach, haben sie gesagt

Die bittere Wahrheit ist nämlich: Wirklich erfolgreich werden nur sehr wenige Hochzeitsfotografen. Ganz im Gegensatz zu den vielen Fotografie-Coaches, denn diese haben frühzeitig erkannt, dass Hochzeitsfotografie-Coaching langfristig die deutlich bessere und klügere Entscheidung ist. Während die Zahl der Eheschließungen in den letzten Jahren konstant geblieben ist, steigt demgegenüber
das Angebot an Hochzeitsfotografen seit Jahren kontinuierlich: Waren im Jahr 2007 noch 7.150 Fotografenbetriebe gemeldet (dazu zählt jede Gewerbeanmeldung als Fotograf), waren es im Jahr 2017 bereits 24.000 Betriebe (Quelle: berufsfotografen.com).


Das hat verschiedene Gründe:

 

1. Der erste und entscheidende Schritt war natürlich die politische Entscheidung, 2004 die Meisterpflicht für das Fotografenhandwerk abzuschaffen. Erst seitdem dürfen auch "Ungelernte" im Sinne der Handwerkskammer überhaupt Hochzeiten gegen Geld fotografieren.

 

2. Die rasante Entwicklung der digitalen Fotografie, wie z.B. Kamera- und Sensortechnik, Akkublitze, etc.

 

3. Die nicht minder rasante Entwicklung der sozialen Medien, z.B. Youtube, wo man als Autodidakt kostenlosen Zugang zu Fotografie-Tutorials bekommt und sich jeder ohne Anleitung durch einen Fotografen-Meister das Fotografieren selbst beibringen kann.

 

4. Der Drang, sich in einem Land, das unter immer höherer Arbeitsverdichtung und stressigen Arbeitsbedingungen leidet, selbständig zu machen und zwar mit dem, was man liebt und ohnehin in der Freizeit bereits macht.

 

5. Der weitverbreitete Irrglaube unter immer mehr Brautpaaren, Smartphones würden: "heutzutage ja auch so gute Fotos machen, da braucht man doch keinen Fotografen mehr".

 

Erfolg als Hochzeitsfotograf? Nichts ist so schwer!

 

Du siehst: Die Entscheidung, sich mehr auf das Coaching von Hochzeitsfotografen, als auf die Hochzeitsfotografie selbst zu fokussieren, ist ziemlich clever. Denn während die Anzahl an Hochzeitsfotografen seit 2004 stetig wächst, stagniert der Bedarf an Hochzeitsfotografie.

 

Und damit kommen wir einmal zu der anderen Seite, zur Seite der Brautpaare. Wie schaut es dort eigentlich aus? Wieviele Kunden stehen dir als zukünftigem Hochzeitsfotografen gegenüber?

  • 80.000.000 Einwohner hat Deutschland ungefähr.

  • 390.000 davon haben laut Statista.de im Jahr 2022 geheiratet.

  • Macht also 1.068 Hochzeiten pro Tag.

Laut Standesamt Frankfurt am Main (das ist mein Tätigungsbereich) wurden im Jahr 2022 2.820 Ehen geschlossen. Das sind 7,7 Hochzeiten pro Tag.

 

 

frankfurter römer vor blauem himmel im sonnenschein
Der Frankfurter Römer - Wahrzeichen, Touristenattraktion und Standesamt von Frankfurt am Main

 

 

Demgegenüber weiß ich sowohl aus meinem eigenen Dunstkreis, als auch von vielen Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern, dass längst nicht jedes Paar überhaupt einen Fotografen bucht. Etliche glauben, dass Handyfotos der Gäste reichen würden, oder wenn Onkel Heinz mal ein bisschen mitknipst. Langfristig wird das oft bereut, aber das ist ein anderes Thema.

 

Ich nehme jetzt - um es kurz zu machen - einfach mal an, dass etwa 1 von 3 Paaren einen Fotografen bucht und dafür im statistischen Mittel 1.500,- Euro zahlt. (Ganztagesreportage / Quelle: rec-orders.de / Preisstatistik für Hochzeitsfotografie im Jahr 2022).

 

Ein Drittel von 7,7 Hochzeiten pro Tag ergeben 2,5 Hochzeiten mit einem Gesamtvolumen von € 3.500,- Allerdings werden viele Fotografen nur fürs Standesamt gebucht (1 bis 3 Stunden) und hier liegt der Durchschnittspreis bei486,- statistisch gesehen ergibt sich also ein Tagesumsatz von € 1.993,-

 

Diesen Tagesumsatz teilen sich (wieder rein statistisch gesehen) allein die 173 offiziell in Frankfurt gewerblich gemeldeten Hochzeitsfotografen (tatsächlich ist die Zahl viel höher), dies macht einen Tagesumsatz von € 11,65 bzw. Jahresumsatz von € 4.252,-

 

Das Argumente zahlreicher Hochzeitsfotografen: "Ich arbeite aber Bundesweit", zählt nicht, denn in jeder Großstadt und jedem Ballungsgebiet sind die Zahlen ähnlich - wo du als Hochzeitsfotograf auch hinkommst, es sind bereits 300 Hochzeitsfotografen vor dir da. Und nun erzähle ich dir sicher nichts neues: Nach den marktwirtschaftlichen Gesetzen muss dies zwangsläufig in einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb münden!

 

Mein Fazit

 

Es ist rein rechnerisch/statistisch gar nicht möglich, dass alle Absolventen einer Hochzeitsfotografie-Bussinessschool hauptberuflich von der Hochzeitsfotografie in Deutschland werden leben können. Und mit Preisen jenseits von 1.500,- für eine Ganztagesreportage schon gar nicht. Die große Mehrheit dieser Fotografen wird sich zwangsläufig in einem Haifischbecken wiederfinden, wo nur die erfolgreichsten und ausdauernsten Mitbewerber überleben werden. Wie erstrebenswert das ist, überlasse ich deiner Entscheidung.

Was ich noch gar nicht erwähnt habe, ist die weitere Entwicklung von Bilderzeugender KI, die in Zukunft den Fotografie-Markt mehr durcheinander wirbeln wird, als wir uns das heute vorstellen können. Wer sich heute mit Anfang zwanzig als (Hochzeits-)Fotograf selbständig macht, kann davon ausgehen, dass er diesen Beruf in der jetzigen Form sehr sicher nicht bis zur Rente ausüben wird.

Lust auf mehr bittere Wahrheiten über die Hochzeitsfotografie?

 

Dann hol dir am besten noch einen Tee, setz dich wieder hin und nimm dir weitere 10 Minuten Zeit für dieses sehr offene und ehrliche Video von Gil:

 

Happy End

eine hand hält eine weiße karte hoch, auf dem businessplan steht, daneben text: geschäftsideen für deine selbstständigkeit - mehr als 100 ideen!

Dieser Blog-Post soll aber ein Happy End bekomen. Deshalb habe ich dir die Homepage von Stefan Scheel aus Frankfurt verlinkt, der jede Menge anderer, lukrativer Geschäftsideen für dich gesammelt hat.

Weiterlesen im Blog:

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